Die Igel-Familie im Karton

Die stolze Mama mit einem ihrer im Karton großgezogenen Sprössling

Die stolze Mama mit einem ihrer im Karton großgezogenen Sprösslingen

In den Sommermonaten finden meist verwaiste Jungtiere, die ihre Eltern verloren haben oder von diesen verstoßen wurden, ihren Weg zur Wildtierhilfe Wien. Deswegen ist es schon eine Besonderheit, wenn eine Igelmutter mitsamt Nachwuchs zu uns kommt.

Wie kam es dazu?

Als die Finder ihren Garten im Juni (ironischerweise) igelsicher machen wollten, da sie einen Hund haben, der sich leider immer wieder an Igeln vergriffen hatte, stießen sie beim Zaunaufstellen auf ein Igelnest. Samt Muttertier mit 4 nackten, blinden Babies. Das Nest zerstört, der Hund freute sich schon, was tun?
Sehr besorgt sammelten die Finder den Igel mit seinen Kindern ein und brachten die gesamte Familie zu uns. Eine gewisse Herausforderung, da Muttertiere häufig unter Stress die Jungtiere nicht mehr annehmen oder im schlimmsten Fall auffressen. Deswegen sollte jede weitere Störung vermieden werden. Aus diesem Grund wurde die gesamte Familie bei uns in ein großes Außengehege gesetzt, wo sie keinerlei menschlichen Kontakt hatten, geschweige denn staubsaugende Pflegerinnen o.Ä. aushalten mussten. Um die Mutter nicht weiter dadurch zu stören, dass sie und die Babys angefasst, aus dem Karton gehoben und ins Gehege umgesetzt würden, schnitten wir den Karton auf der Seite auf und setzten ihn in die Voliere. Außerdem boten wir ein tolles Igelhaus mit weichem Nestmaterial an.

Dann ließen wir Mutter Igel in Ruhe, lediglich ab und zu sahen wir nach, ob die Jungtiere verstossen wimmernd durch die Gegend krabbelten, sodass wir sie zur Not doch mit der Hand aufziehen würden. Auf einen Versuch kam es uns aber an, da Tierkinder einfach die besten Überlebenschancen mit ihrer richtigen Mutter haben, sowohl während sie aufwachsen, als auch später, wenn sie auf sich allein gestellt sind – Handaufzucht muss immer die letzte Notlösung bleiben!

Was tat also Mutter Igel?

Igelfamilie 1

Zwei der Mini-Igel

Gedacht war das Ganze so, dass sie des Nächtens ihre Jungen nacheinander ungestört aus dem Karton hinüber in das komfortabel ausgepolsterte Igelhaus tragen könnte. Tatsächlich war der Igel nicht untätig, freute sich über das Nistmaterial und trug es begeistert aus dem stabilen, wettersicheren Igelhaus in den Karton hinein. Erstens kommt es anders, zweitens als man denkt. Froh, dass die Mutter beschlossen hatte, ihre Babys zu behalten und zu säugen, wenn auch ungewöhnlicherweise im Obdachlosen-Stil im Karton, standen wir nun da mit unserem tollen Igelhaus, das eiskalt verschmäht wurde. Kurzerhand wurde eine Plane über dem Karton aufgespannt, sodass dieser auch bei Regen möglichst nicht nass wurde. Mehrmalige vorsichtige Kontrollen bewiesen, dass es sich um eine durchaus bemühte Mutter handelte und alle vier Jungtiere wuchsen und gediehen prächtig, besser hätten wir das bestimmt nicht gekonnt.

Igelfamilie

Der Mutter schmeckts, das Junge schaut zu.

Drei Wochen später zeigten sich die ersten Igelkindernasen, die neugierig aus dem Karton hervorlugten. Immer mutiger wurden die kleinen Stachelkugeln und man konnte sie bei ihren ersten Ausflügen aus ihrem Kartonnest beobachten. Dabei fiel auf, dass diese durchaus auch am Tag stattfanden. Grundsätzlich stimmt nämlich schon, dass ein Igel, der tagsüber herumläuft fast immer Hilfe braucht. Doch sehr junge Igel unternehmen durchaus auch tagsüber Ausflüge mit ihrer Mutter, die wenn auch nicht immer sichtbar doch in der Nähe weilt. Besonders großartig war es dann, sie tatsächlich beim Sonnenbaden beobachten zu können! Igel! Beim Sonnenbaden! Man stelle sich vor… Im Übrigen vorausschauender als die Mutter zogen erst die Jungigel, dann auch das Alttier endlich in unser Igelhaus um (ob das nun wegen höherer Stabilität war oder weil der Karton schon sehr roch, sei dahingestellt) – wir entsorgten den Karton mit größter Freude.

Igelfamilie 2

Alle vier Glückskinder

Schließlich kam der Tag, an dem sich die Tore der Voliere für unsere Igelfamilie öffneten, da die Erkundungslust der Jungigel nicht mehr zu bändigen war. Einige Male übernachtete die Mutter mit ihrem Nachwuchs noch dort, schließlich verlegten sie ihr Lager in die Freiheit. Noch mehrere Wochen lang schauten die Igel anfangs mit, später ohne Mutter bei uns vorbei.
Dabei konnten wir immer wieder beobachten, was wir Findern am Telefon raten: Wenn ein Jungigel scheinbar alleine (aber unverletzt und gesund) durch den Garten stöbert, lohnt es sich durchaus zu warten, ob nicht eine Mutter vorbeikommt – selbst schrillten bei uns kurz nach Entlassen der Familie einige Male die Warnglocken, als plötzlich ein Igelkind alleine herumtapste, nach spätestens 25 Minuten aber kam dann doch auch die Mutter vorbei.