Die Krähen Wiens – Drei Arten im Portrait

Hin und wieder deuten WienerInnen auf Krähen und sprechen von Raben, die im Prater unterwegs sind, im Winter Nüsse auf die Straße fallen lassen oder einfach nur in der Stadt herumfliegen.

Doch den eigentlichen Raben, nämlich den Kolkraben (Corvus corax), den größten aller Krähenvögel (sie sind größer als Mäusebussarde und damit ein gutes Drittel größer als Krähen!), gibt es in Wien leider nicht, ihn gibt es in Österreich noch v.a. im Gebirge.

Ein Kolkrabe der Greifvogelauffangstation Haringsee - wie riesig das Tier ist, lässt sich im Vergleich mit den Schuhen eines erwachsenen Mannes erahnen! Sie sind größer als Mäusebussarde und damit ein gutes Drittel größer als Krähen.

Ein Kolkrabe der Greifvogelauffangstation Haringsee – wie riesig das Tier ist, lässt sich im Vergleich mit den Schuhen eines erwachsenen Mannes erahnen!

Dafür wohnen in unserer Stadt viele seiner kleineren Verwandten. Neben Krähenvögeln wie Dohlen, Eichelhähern und Elstern haben wir bei uns in Wien gleich drei Krähenarten, die man vielleicht für kleine Raben halten könnte:

Die Saatkrähe

Die Saatkrähe (Corvus frugilegus) war früher ein ganz normaler, ganzjährig anwesender Brutvogel in Österreich; lange und grausame Verfolgung rottete diese Vögel aber aus. Mittlerweilen brüten wenige Vögel wieder in Österreich.

Doch gerade jetzt zur Winterzeit finden sich tausende von Saatkrähen in Wien ein. Seit jeher stammt der Großteil der schwarzen Vögel eigentlich aus dem Osten, vor allem Russland. Da es dort aber zu kalt wird, um Nahrung zu finden, machen sich Schwärme von Krähen auf den Weg und überwintern bei uns. Die Saatkrähe erkennt man daran, dass sie wunderschön blauglänzend schwarz ist. Ihr Gesicht und ihr Schnabel sind dagegen nackt und gelbweißlich. Auch stehen ihnen oft die Federn lustig vom Kopf ab, woran man sie mit etwas Übung schon in der Sihlouette von den anderen Krähen unterscheiden kann.

Eine adulte Saatkrähe - bei den Jungtieren ist das Gesicht noch schwarz.

Eine adulte Saatkrähe – bei den Jungtieren ist das Gesicht noch schwarz.

Tagsüber sind die meisten Krähen auf der Suche nach Futter am Land unterwegs. Gegend Abend fliegen sie in langen Reihen in die Stadt. Dort sammeln sich die Saatkrähen erst an Sammelplätzen, gemeinsam suchen sie dann Schlafplätze auf, bei denen sie zu Tausenden übernachten. Wer einmal in der Dämmerung an so einem Schlafplatz gestanden hat, umgeben von den lautstark krächzenden Krähen, wird das wohl kaum wieder vergessen. Ebenso wenig wie den Anblick von Krähenwolken, die in einem thermischen Aufwind kreisen.

Begleitet werden die östlichen Schönheiten von den kleineren Dohlen (Corvus monedula), die ebenfalls zu den Raben- oder Krähenvögel gehören. Sie hört man durch die tausenden Krähen hindurch immer wieder metallisch-melodisch „Kja kja“ rufen. Sie schließen sich den Krähen an, begleiten sie tagsüber und schlafen mit ihnen gemeinsam in der Stadt. Die größten und historischen Schlafplätze befinden sich im Prater, im Donaupark, in der Lobau, Freudenau und auf der Baumgartnerhöhe. Der Vogelschutz-Verein Birdlife Österreich führt seit mehreren Jahren ein Projekt namens Corvie durch, dabei werden die Saatkrähen und Dohlen gezählt, es wurden sogar schon einmal knappe 100.000 Vögel gezählt!

Zwei besondere Krähen: Rabenkrähe und Nebelkrähe

Die Rabenkrähe (Corvus corone corone) und die Nebelkrähe (Corvus corone cornix) sind ein ganz besonderes Kapitel für sich: Die wissenschaftlichen Meinungen über die Verwandtschaftsbeziehungen gehen dabei auseinander. Sind die beiden eigene Arten oder sind sie Unterarten und bilden gemeinsam die Art Aaskrähe aus? Man geht davon aus, dass die europäischen Aaskrähen während der letzten Eiszeit in zwei Bereiche getrennt wurden und sich dort jeweils unterschiedlich weiterentwickelt haben. Die Rabenkrähe im Westen blieb, wie der Name sagt, rabenschwarz, sieht dem Kolkraben sehr ähnlich, ist aber wesentlich kleiner. Die Nebelkrähe im Osten dagegen ist auf Bauch und Rücken grau, Kopf, Flügel und Brustlatz sind schwarz. Die junge Nebelkrähe (Hybrid) im rechten Bild, die wir liebevoll Krah-krah nannten, war im Sommer eine Woche bei uns, nachdem sie bei einem Angriff alle Flugfedern verloren hatte. Danach zog sie nach Haringsee, um ihre Jugend mit einer Bande aus jungen Krähen zu verbringen, bevor sie ausgewildert wurde.

Eine beringte Rabenkrähe, die ein Stück Orange gefunden hat.

Eine beringte Rabenkrähe, die ein Stück Orange gefunden hat.

Nebelkrähen-Hybrid "Krah-krah", ein Pflegling der Wildtierhilfe Wien.

Nebelkrähen-Hybrid „Krah-krah“, ein Pflegling der Wildtierhilfe Wien.

Unterschiede finden sich aber nicht nur im Aussehen der beiden Krähenarten, auch im Verhalten unterscheiden sie sich teilweise: Rabenkrähen brüten lieber für sich alleine, Nebelkrähen in kleinen Kolonien mit mehreren Brutpaaren. Den Nachwuchs umsorgen beide rührend und verteidigen ihn, wobei sie sich mit allen möglichen Feinden anlegen, auch wenn diese eindeutig stärker und größer sind (soviel zum Thema „Rabeneltern“).

Von Haselnüssen zeigen sich Krähen sehr begeistert, wie diese Rabenkrähe beweist.

Von Haselnüssen zeigen sich Krähen sehr begeistert, wie diese Rabenkrähe beweist.

Doch besonders spannend wird es dort, wo die beiden aufeinander treffen: Quer durch Europa zieht sich ein Streifen, westlich dessen es nur Rabenkrähen, östlich dessen es nur Nebelkrähen gibt. Und genau in Wien stoßen die beiden Gruppen aufeinander! Hier verpaaren sie sich miteinander und ziehen tatsächlich Hybriden, also Jungtiere mit Nebel- und Rabenkräheneltern auf. Diese sind selbst noch fruchtbar, was interessant ist, da genau dieser Fakt nach der Definition einer Art dafür spricht, dass die beiden Unterarten derselben Spezies sind.
In Wien sieht man also beide Krähen und dazu noch Mischformen – um genau zu sein sind die meisten Krähen in Wien solche Hybride, bei denen man mehr oder weniger stark ausgeprägt ihre Herkunft sieht.

Im Übrigen ist der Name Aaskrähe nicht unbedingt Programm: Ja, sie fressen Aas. Und wie von vielen Leuten verabscheut, ist es wahr, dass sie manchmal zu Nesträubern werden. Aber es stehen doch vor allem Insekten, tierische Überreste, aber auch Obst und Sämereien auf ihrem Speiseplan; der Schaden, den sie anrichten, ist gering und wird von der Natur, dort wo sie ansonsten intakt ist, gut ausgeglichen.

Quellen: