Teilzeitarbeit bei Frauen – eine Stellungnahme aus Sicht einer Wildtierauffangstation
Wir äußern uns eigentlich nicht zu tagespolitischen Themen, da wir uns ausschließlich unseren Wildtierpatienten verpflichtet fühlen. Von den derzeit viel diskutierten Aussagen des Bundeskanzlers über Teilzeit arbeitenden Frauen fühlen wir uns jedoch persönlich angesprochen. Sie sind symptomatisch für eine weit verbreitete Einstellung, der wir mit diesem Beitrag etwas entgegensetzen möchten.
Teilzeitarbeit in der Wildtierhilfe Wien
Warum fühlen wir uns eigentlich auf die Füße getreten? Nun, in der Wildtierhilfe Wien haben wir zwei großartige Teilzeit-Angestellte, die nach jahrelanger ehrenamtlicher Mitarbeit und unbezahlten Praktika bei uns endlich für ihre wertvolle Arbeit entlohnt werden. Zusätzlich sind unsere Tierärztin und unsere Obfrau/Tierheimleitung auf selbstständiger Basis für uns tätig. Geht sich das finanziell für uns aus? Definitiv nicht. Tierpfleger:innengehälter sind generell, aber besonders im Tierschutzbereich, bescheiden. Doch leider sind Vollzeitanstellungen, die ja in Österreich so reichlich verfügbar zu sein scheinen, in der Wildtierhilfe Wien und vielen anderen Tierschutzorganisationen nicht finanzierbar.
Zum Glück können unsere Pfleger:innen die „Chance“ wahrnehmen, nebenbei noch einem Zweit- oder Drittjob nachzugehen, um über die Runden zu kommen, anstatt von den „fleißig arbeitenden Menschen in Österreich subventioniert zu werden“, wie es in der Ansprache hieß.
Das Beispiel unserer beiden Selbstständigen, die im Endeffekt Vollzeit arbeiten, deren Entlohnung aber eher der von geringfügig Beschäftigten/Teilzeit arbeitenden Menschen entspricht, steht im Widerspruch zu den Aussagen unserer Familienministerin, wer mehr arbeite, verdiene logischerweise auch mehr.
Wildtierrehabilitation – das schönste Hobby auf Erden
Die Forderung, nicht finanzierbare Arbeit rein mit Ehrenamtlichen abzudecken, ist naheliegend. Wildtierrehabilitation ist schließlich hierzulande kein anerkannter Beruf, ergo muss es sich um das schönste Hobby auf Erden handeln. So sehen teilweise auch unsere Bewerbungen aus: „Möchte für ein paar Stunden zum Aushelfen kommen.“ „Würde gerne mit meiner Tochter/meinem Sohn zum Füttern vorbeischauen.“ „Würde gerne einen Igel von euch übernehmen.“
Doch es ist nicht umsonst von Fachkräftemangel die Rede. Nicht jede:r kann jede Tätigkeit ausführen. Weder ist es sinnvoll, die anspruchsvolle Arbeit mit kranken Menschen rein ehrenamtlich durch „ein bisschen aushelfen“ abzudecken, noch trifft dies auf die Arbeit mit – teils streng geschützten – Wildtieren zu. Der Tierheimalltag beinhaltet mehr als die Pflege und tierärztliche Versorgung der Patienten. Ständige Fortbildungen, Beratungs- und Aufklärungsarbeit, penible Dokumentation und administrative Tätigkeiten gehören dazu. Und zuletzt arbeiten wir nicht nur in einem physisch und psychisch herausfordernden Bereich mit lebenden Tieren, sondern auch mit Zoonosen. Wildtierfpleger:innen und Wildtierärzt:innen sind in dieser Hinsicht Hochrisikogruppen. Dementsprechend erst zu nehmen ist auch unsere Arbeit und der notwendige Schutz unserer Patienten und Mitarbeiter:innen, der durch verpflichtende Schulungen, Versicherungen und andere Verbindlichkeiten in einem Angestelltenverhältnis besser umgesetzt werden kann. Doch die Realität sieht anders aus. Die Wildtierhilfe Wien arbeitet zu über 90% mit Ehrenamtlichen. Frauen.
Unbezahlte und unbezahlbare Arbeit
Unsere Ehrenamtlichen arbeiten oft Vollzeit, meist aber Teilzeit neben ihrer Ausbildung und dem Ehrenamt. Die ehrenamtliche Mitarbeit bei uns ist aus Gründen der Qualitätssicherung kein Zuckerschlecken. Sie ist anstrengend, dreckig, herausfordernd, ein andermal fad, zeitraubend und teilweise auch gefährlich. Zählt alles, was diese fleißigen Menschen zusätzlich für uns leisten, nicht als Arbeit, nur weil sie dafür nicht bezahlt werden?
Bereits vor der Teuerung und Energiekrise standen unsere studierenden Mitarbeiter:innen durch die Coronakrise massiv unter Druck. Lehrveranstaltungen fanden plötzlich an Wochenenden statt, an denen viele Studierende eigentlich arbeiten, oder entfielen ganz (online Exkursionen müssen erst noch erfunden werden). Gleichzeitig galt nur das Sommersemester 2020 als weiteres Toleranzsemester – für viele wurde also der Studienbeitrag fällig. Die Finanzierung dessen gestaltete sich schwieriger. Typische Student:innenjobs auf geringfügiger oder Teilzeitbasis (etwa in der Gastro oder im Tourismus) fielen auf einen Schlag weg. Einige langjährige Mitarbeiter:innen haben wir – gerade in den letzten drei Jahren -verloren, da sie sich ihre Wohnungen nicht mehr leisten konnten, und sie entweder umziehen, oder noch mehr Stunden bezahlter Erwerbsarbeit nachgehen mussten. Länger als ein Jahr kann sich kaum noch jemand ehrenamtliche Arbeit bei ein und derselben Stelle leisten. Schließlich heißt es gerade für junge Generation Praktikum: CV aufmotzen, um irgendwie einen adäquaten Job zu finden.
Aber wer braucht schon unbezahlte ehrenamtliche Arbeit? Schließlich wird Wildtierrehabiltation bekanntlich hervorragend vom Staat subventioniert…
Frauen in prekären Beschäftigungsverhältnissen
Die Mischung aus schlechter/fehlender Bezahlung und miserablen Arbeitszeiten im Tierschutz ist brandgefährlich. Diejenigen, die solche Rahmenbedingungen freiwillig auf sich nehmen, sind meistens Frauen. Das zeichnet sich bei unseren Bewerbungen ab, und spiegelt sich auch in dem Geschlechterverhältnis unserer Mitarbeiter:innen wider – auch andere Tierschutzorganisationen beschäftigen primär weiblich gelesene Personen. Sie arbeiten unter diesen fragwürdigen Bedingungen vor dem Hintergrund, für die Tiere immer „noch mehr“ zu leisten zu müssen, um sie nicht im Stich zu lassen. Durch den ständigen Kampf um Spenden – mangels Unterstützung aus öffentlicher Hand – entsteht im Tierschutz oft ein Gegeneinander. Besonders geschätzt werden die, die noch mehr arbeiten und noch weniger schlafen. Im Tierschutz sind allgemein viele Mitarbeiter:innen völlig ausgebrannt. Compassion Fatique gefährdet aber nicht nur die Menschen, die im Tierschutzbereich arbeiten, sondern letztendlich auch die Patienten, um die wir uns so aufopfernd kümmern. Solange sich an den Rahmenbedingungen nichts ändert, werden viele Tierschützer:innen auf Kosten ihrer physischen und psychischen Gesundheit in schlecht bezahlter Teilzeitarbeit bleiben – und unbezahlbares leisten.
Die Gründe für Teilzeitarbeit sind vielfältig
Mit Faulheit haben sie meist nichts zu tun. Statt der Forderung, mit den Finanzen durch die Ernährung der Familie mit billigem Fertigessen zu haushalten, wünschen wir uns seitens der Politik und der Öffentlichkeit, dass wertvolle (Frauen-)Arbeit mehr gesehen und wertgeschätzt wird. Egal in welchem Beschäftigungsausmaß.