Kaum sind sie da sind sie auch schon wieder weg: Ab Ende April, Anfang Mai kann man sie sehen, wie sie in waghalsigen Flugmanövern durch die Häuserschluchten Wiens preschen: Mauersegler (Apus apus), Vorboten des Sommers!
Mauersegler, Schwalbe oder doch ein Greifvogel?
Häufig werden Mauersegler mit Schwalben verwechselt, dabei sind Mauersegler ganz einfach an ihren sichelförmigen, langen Flügeln und dem dunklen Bauch von diesen zu unterscheiden. Im unmittelbaren Vergleich wird auch deutlich, dass Mauersegler wesentlich größer sind als Schwalben. Auch am Flug selbst kann man Mauersegler einfach identifizieren: Während sie üblicherweise abwechselnd flattern und dann wieder lange gleiten, ist der Flug von Schwalben eher tänzelnder und unruhiger anzusehen. Charakteristisch ist auch der schrille Schrei („schri“), den die Mauersegler dabei ausstoßen – ein Geräusch, das aus einem Sommer in Wien nicht wegzudenken ist. Apropos Mauersegler und Wien: Die Landeshauptsadt ist eine wahre Mauerseglerhochburg: Mit einem Brutbestand von etwa 5 000 – 12 000 Brutpaaren befinden sich etwa 20 – 25 % der österreichischen Population in Wien!
Der gebogene Schnabel lässt viele Leute glauben, es handle sich bei den schönen Schwarzen um kleine Falken. Die kurzen Füße und der schwarze Bauch mit dem weißen Kehlfleck sind aber eindeutige Erkennungsmerkmale! Nackte Jungtiere haben natürlich noch keine solchen Gefiedermerkmale. Daher werden sie uns besonders häufig als Falkenbabys gebracht. Greifvogelkinder sind jedoch stets flauschig!
Das unbequeme Leben der Mauersegler
Segler-Wohngemeinschaften in Wien
Ursprünglich war der Mauersegler ein wärmeliebender Felsenbrüter, der sich wahrscheinlich zur Zeit des Mittelalters zum Kulturfolger entwickelt hat, welcher menschliche Gebäude für sich nutzt. Während man Schwalben vor allem in der Nähe von Ställen (etwa Reit- oder Kuhställe) antrifft, kann man Mauersegler häufig dabei beobachten, wie sie zwischen den Hochhäusern in Städten jagen. Auch eignen sich Gebäude hervorragend als Brutplätze für die Tiere.
Jagd
Mauersegler machen es uns schwer, sie zu verwöhnen: Weder Meisenknödel noch ein am Boden angerichtetes Körnerbuffet machen sie glücklich. Schüsseln mit Futterinsekten lassen sie stehen und sogar mit dem Vogelbad haben sie keine Freude. Das liegt daran, dass sie reine Insektenfresser sind, wobei die Nahrung fast ausschließlich im Flug erbeutet wird. Die größten Jagderfolge gibt es bei warmer, trockener Witterung. Nach langen Regenfällen findet man oft ausgehungerte Mauersegler, welche durch eine sogenannte Hungerstarre (Torpor) versuchen, ihre letzten Energiereserven aufzusparen. Lange Hitzeperioden lassen ebenso viele geschwächte Mauersegler bei uns eintrudeln. Nicht nur die Temperaturen machen den Seglern zu schaffen: Viele Insekten verbringen einen Teil ihres Lebens im Wasser (als Ei oder Larve). Bei lang anhaltender Trockenheit können sich diese nicht entwickeln, folglich gibt es weniger Futter für die Segler.
Familienleben
Mauersegler sind sehr gesellige Tiere, die in Kolonien (oftmals auf Dachböden) brüten oder Spalten in Fassaden als Nistmöglichkeit nutzen. Dabei wird Jahr für Jahr derselbe Brutplatz aufgesucht – wer also einmal Mauersegler bei sich zu Gast hat, darf sich höchstwahrscheinlich auch im nächsten Jahr darüber freuen. Interessant ist, dass die Verpaarung nicht nur in den Bruthöhlen stattfindet, sondern auch nach einer spektakulären Verfolgungsjagd mitten im Flug! Wichtig zu wissen ist, dass Seglerjunge – wie Schwalben – das Nest bereits flugfähig verlassen. Mauersegler haben also keine Ästlingsphase!
Schönwettervögel
Ein Großteil des Lebens wird in der Luft verbracht. Mauersegler bleiben in ihren Brutgebieten in Mitteleuropa nur etwa 3 ½ Monate, bevor sie uns wieder verlassen und nach Afrika ziehen – wenn man sich das vor Augen führt könnte man meinen, es würde sich gar nicht erst auszahlen, dafür so einen weiten Weg zurückzulegen… Entscheidend für ihre „Aufbruchstimmung“ ist primär die Tageslänge, weshalb Mauersegler aus Skandinavien später in den Süden ziehen als bei uns.
Mauersegler und Bauarbeiten
Laut Wiener Naturschutzgesetz sind Mauersegler streng geschützt: Das betrifft sowohl die Nistpätze, als auch Eier und Jungvögel. Bei Bauarbeiten ist also u.a. darauf zu achten, dass die Nester nicht beschädigt oder zerstört werden. Bitte bedenken Sie auch, dass bei Neuanbringen von Vogelabwehrnetzen oder Baugerüsten der Zugang zu Brutplätzen versperrt wird. Bei der Nistplatzsuche geraten adulte Mauersegler oft in Dachböden, aus denen sie nicht mehr alleine hinausfinden. Werden solche eingeschlossenen Vögel entdeckt, sind sie in der Regel zwar unverletzt aber oft stark dehydriert und abgemagert. Werden bei Bau- oder Renovierungsarbeiten Mauersegler Brutkolonien gestört, sollten die Arbeiten unverzüglich unterbrochen werden. Kontaktieren Sie in so einem Fall am besten direkt die MA 22 (Wiener Umweltschutzabteilung) oder das zuständige Bauunternehmen. Ist eine Unterbrechung der Arbeiten nicht möglich, dürfen Jungtiere keinesfalls entsorgt oder ihrem Schicksal überlassen werden – gerne können Sie uns oder eine andere Wildtierauffangstation anrufen, damit die Kleinen notfalls in Pflege genommen werden können. Auch gibt es die Option, etwa wenn sich das Verschließen potentieller Brutplätze nicht vermeiden ließ, Nistkästen als Ersatz anzubringen. Solche gibt es bereits fertig zu kaufen, oder man baut sie einfach selbst. Der NABU hat hierfür auf seiner Website eine Bauanleitung bereitgestellt.
Mauersegler in der Pflege
Es schmeckt mir, es schmeckt mir nicht, es schmeckt mir…
Ihr ganzer Körper ist auf ein Leben in der Luft ausgelegt – sogar geschlafen wird während dem Flug! Das funktioniert, indem abwechselnd ein Teil Gehirns ins Land der Träume geschickt wird, während der andere Teil wach bleibt. Praktisch, oder? Weniger Praktisch ist es, dass Mauersegler durch ihre Anpassungen ein wenig mühsame Pfleglinge sind, die sich nicht unbedingt für Anfänger eignen, bzw. nur unter genauer Anleitung von erfahrenen WildtierpflegerInnen versorgt werden sollten: Wie bereits erwähnt sind Mauersegler es – ähnlich Schwalben oder Fledermäusen – gewohnt, Insekten in der Luft zu jagen. Von einer Pinzette oder einer Schüssel Insekten anzunehmen stellt besonders erwachsene Segler oft sehr lange vor ein scheinbar unlösbares Rätsel. Hinzu kommt ihre Eigenschaft, bei Stress ihre bereits hinuntergeschluckten Futterinsekten wieder hochzuwürgen oder das neu in den Rachen gelegte Futter gleich einmal den Pflegern wieder um die Ohren zu schleudern, was die Fütterung eines einzigen Vogels zu einer sehr langsamen Angelegenheit machen kann, bei der viel Geduld und Sanftmut gefordert ist.
„Gummizellenaction“
Durch ihr Leben als befiederte Düsenjets ist es logisch, dass ein makelloses Gefieder absolut notwendig für diese Vögel ist. Keine Feder sollte abgebrochen oder ausgerissen sein. Die Unterbringung eines Mauerseglers in einem Käfig ist daher absolut fatal! Und das nicht nur, weil Segler mit kaputten Federn flugunfähig sind, sondern vor allem deshalb, weil die Mauser bei Jungtieren erst im darauf folgendem Jahr stattfindet. Das bedeutet, dass die Tiere nicht in den Süden ziehen könnten und den ganzen Winter über in Gefangenschaft verbringen müssten, was nicht selten Depressionen und daraus resultierende Krankheiten nach sich zieht. Damit ein Mauersegler mit Gefiederschäden also trotzdem seinen Zug nach Süden starten kann, müssen vorher die kaputten Schwungfedern geschiftet werden: Das ist eine aufwändige Operation, bei der die defekten Federn, vereinfacht ausgedrückt, durch neue unbeschadete Federn von leider verstorbenen Artgenossen ersetzt werden. Mehr dazu finden Sie hier.
Nicht nur die langen Flügel, auch die Beine sind ein guter Hinweis darauf, dass Mauersegler ziemlich „abgehoben“ sind: Die Beine sind kurze Stummelchen, die Füße sind kleine starke Greifer, die hauptsächlich dazu da sind, sich irgendwo – zum Beispiel an einer Hauswand – festzukrallen. Tatsächlich können Mauersegler mit diesen Beinchen weder laufen noch hüpfen, sie robben hauptsächlich mäßig elegant auf dem Bauch herum. Aus diesem Grund ist es besonders wichtig, in Alarmbereitschaft zu sein, sobald ein Mauersegler am Boden aufgefunden wird. Solche Tiere sind häufig durch lange Hungerperioden völlig entkräftet oder haben eine Verletzung, auch wenn diese oft nicht auf den ersten Blick erkennbar ist.
Auswilderung von Mauerseglern im September?
Wie eingangs erwähnt vertschüssen sich die Mauersegler bereits sehr früh im August wieder aus Österreich. Trotzdem kommen oft noch Mitte August Mauersegler-Nestlinge ins „Hotel“ Wildtierhilfe Wien, die am Boden aufgefunden wurden. Heißt das, die Eltern hat die Reiselust gepackt und sie haben einfach ihre Kinder zurückgelassen? Keineswegs – Mauersegler sind nämlich ganz hervorragende Eltern! Dass gerade später im Jahr oft recht abgemagerte Jungvögel hereinkommen hängt mehr mit den Wetterbedingungen (lang anhaltende Trockenheit oder starke Regenfälle) zusammen als mit der Fürsorglichkeit der Eltern. Wären bereits im August ausnahmslos alle Mauersegler fort könnten wir uns nicht erklären, wie dann Anfang September noch wohlgenährte Jungvögel aufgefunden werden können. Auch werden die Jungsegler zum Teil immer noch abgeholt, wenn man sie später im Jahr auslässt. Brutpaare bleiben also länger da, um ihre Jungen zu versorgen bis diese flügge sind. Bedenkenlos auslassen kann man die flugfähigen, dicken Jungen dann bei anhaltend warmem, trockenem Wetter auch noch Anfang September. Die Sorge, dass die Jungen ohne Altvögel in Begleitung die Zugroute nicht finden können ist unbegründet, da diese bei Vögeln sozusagen genetisch eingespeichert ist.
Mauersegler gefunden?
Sie stoßen beim Spazieren auf einen gräulich/schwarzen Vogel mit weißem Kehlfleck und wissen nun sofort, dass es sich nicht um einen Falken, sondern um einen Mauersegler handeln muss. Unabhängig davon, ob es ein Jungtier oder ein erwachsener Vogel ist: Finden Sie einen Mauersegler am Boden, dann stimmt etwas nicht mit ihm. Bitte werfen Sie das Tier keinesfalls in die Luft – das Verletzungsrisiko ist sehr hoch! Kann ein Mauersegler nicht vom Boden wegstarten, liegt immer ein Problem vor. Selbst wenn das Tier bei solch einer gut gemeinten Starthilfe nicht abstürzt und sich verletzt, sondern tatsächlich wegfliegt, ist es naheliegend, dass es nach wenigen Metern wieder abstürzt und unbemerkt im nächsten Dickicht verendet.
Finden Sie also einen Mauersegler am Boden, bitten wir Sie, eine Wildtierauffangstation oder einen wildtierkundigen Tierarzt zu verständigen. Für den Transport eines Mauerseglers zu einer Auffangstation bedenken Sie bitte, dass das Gefieder dringend unversehrt bleiben muss: Bitte also keine Käfige oder Transporter mit Gittern oder Spalten verwenden, in denen sich die Federn verzwicken und ausfransen könnten. Ein Schuhkarton mit Luftlöchern hingegen eignet sich sehr gut!
Quellen
- http://www.mauersegler.com/shifting.html, 18.07.2015
- https://www.nabu.de/tiere-und-pflanzen/voegel/helfen/nistkaesten/01103.html, 18.07.2015
- Wichmann G, Dvorak M, Teufelbauer N, Berg H-M (2009): Die Vogelwelt Wiens – Atlas der Brutvögel (1. Auflage). Wien: Naturhistorisches Museum Wien.