In diesem Artportrait stellen wir den Siebenschläfer vor. Wir erläutern seinen Lebenszyklus, erklären, wie man ihn von anderen Nagetieren unterscheidet und erzählen von den Ansprüchen dieser Tiere in der Pflege. Wer Siebenschläfer als unliebsame Mitbewohner hat, sollte nach dem Lesen des Beitrags wissen, wie man bewirken kann, dass sie ganz freiwillig wieder ausziehen.
Der Name ist Programm
Der Siebenschläfer (Glis glis) ist neben Haselmaus, Baum– und Gartenschläfer der vierte heimische Vertreter aus der Familie der Bilche. Der deutsche Name leitet sich von den sieben Monaten Winterschlaf ab, häufig schlafen Siebenschläfer aber wesentlich länger. Des Weiteren wird er in Verbindung mit der christlich-islamischen Legende von den Sieben Schläfern gebracht: Sieben junge Männer flüchten zur Zeit der Glaubensverfolgung in eine Höhle, in der sie jahrhundertelang von Gott behütet schlafen. Im Volksglauben wurde der Siebenschläfer anlässlich dieser Legende entweder als guter Hausgeist oder böses Omen gedeutet (wobei uns einfach kein logischer Schluss einfallen will, der uns von der Legende zum bösen Omen bringt). Der lateinische Name hingegen hat einen kulinarischen Hintergrund: Der Siebenschläfer war in der Antike ein beliebter Braten für die etwas wohlhabenderen RömerInnen. Ein Glirarium war, wie es Varro in seinem Werk „De re rustica“ – einem dreibändigen Werk über die römische Landwirtschaft – beschreibt, ein Eichen- bzw. Buchenhain, der mit glatten, und daher für Siebenschläfer unüberwindbaren, Mauern umgeben wurde. Wer Siebenschläfer schon einmal klettern gesehen hat, kann sich wahrscheinlich nur schwer vorstellen, dass solche Mauern ein tatsächliches Hindernis gewesen sein sollen. Innerhalb der Mauern wurden die Siebenschläfer gefüttert. Vor dem Verzehr mästete man die Bilche noch in einem Tongefäß, dem sog. dolium (man stelle sich einen antiken Hamsterkäfig vor). Dass Siebenschläfer von Menschen gegessen wurden, erkennt man sogar an dem englischen Namen edible (essbar) dormouse.
Aussehen – Vergleich mit Eichhörnchen
Da viele Leute noch nie zuvor einen Siebenschläfer gesehen haben, werden uns Bilche häufig als „Eichhörnchen“ gebracht. Diese sind jedoch ganz einfach voneinander zu unterscheiden. Eichhörnchen sind wesentlich größer als Siebenschläfer, auch schon als Babys. Die Fellfarbe von Eichhörnchen ist sehr variabel: Es gibt rote, schwarze und braune Hörnchen. Siebenschläfer sind hingegen grau gefärbt. Eindeutig ist vor allem das Gesicht der Bilche: Große Knopfaugen und lange, lange Schnurrhaare, die sie bereits als winzige, sonst noch nackte Kinder haben – so sieht kein Eichhörnchen aus.
Probier’s mal mit Gemütlichkeit – das Leben der Siebenschläfer
Lebensraum und Verbreitung
Siebenschläfer bewohnen Europa, Kleinasien, den Kaukassus so wie den nordwestlichen Teil des Iran. In England kommt diese Bilchart nicht ursprünglich vor, sondern wurde gegen Ende des 20. Jahrhunderts eingebürgert. Siebenschläfer halten sich überwiegend in gut strukturierten Laub- und Mischwäldern auf. Recht feuchte Wälder oder reine Nadelwälder werden eher gemieden. Als Schlafmöglichkeit werden neben Baumhöhlen und Felsspalten durchaus auch Ruinen oder ähnliche vom Menschen errichtete Bauten genutzt. Bewohnt werden gleich mehrere Nester innerhalb des Reviers. Die flinken Kletterer sind überdies nachtaktiv und für uns Menschen daher meist schwer zu entdecken. Eine Gruppe Siebenschläfer kann allerdings großen Lärm verursachen und dadurch z.B. ihre meist unliebsame Anwesenheit auf Dachböden bemerkbar machen.
Nahrung – alles schmeckt, was dick macht!
Siebenschläfer sind Nagetiere, die im Herbst zum Anfressen des Winterspecks ein vielfältiges Nahrungsangebot zu sich nehmen: Von Nüssen und Sämereien über Knospen, Rinden, Früchte, Pilze, Insekten und sogar Vogeleier – Siebenschläfer fressen (mit saisonalen Präferenzen) so ziemlich alles, was ihnen zwischen die Finger kommt.
Sinnesorgane
Siebenschläfer sind Morgenmuffel: der ganze Körper ist an ein Leben in der Nacht angepasst. Die beweglichen Ohren erlauben eine gute akustische Wahrnehmung. Große Augen und lange Schnurrhaare, sie ermöglichen sowohl eine ausgezeichnete optische Orientierung, als auch ein effizientes Abtasten der Umgebung. Vier Tasthügel im Gesicht, ein weiterer am Kinn und je ein weiterer Tasthügel an den Unterarmen lassen erahnen, wie wichtig der Tastsinn für die nächtlichen Poltergeister ist. Berühmt ist die Fähigkeit der Bilche, eidechsenähnlich ihre Schwanzhaut abzuwerfen, wenn dieser bei Gefahr, wie etwa bei einem Greifvogelangriff, gepackt wird. Es handelt sich aber nicht um eine sogenannte Schwanzautotomie im eigentlichen Sinne. So wird der Schwanz nicht, wie bei Echsen, an einer Sollbruchstelle abgebrochen, es wird ab dieser Stelle lediglich die Haut abgerissen. An einem sicheren Plätzchen wird schließlich der haarlose Schwanzteil abgenagt, der zuvor abtrocknet. Obwohl der Siebenschläfer wahrscheinlich für diese Fähigkeit am Bekanntesten ist, verfügen auch einige heimische Mausarten über diese Fähigkeit.
Sozialverhalten – launisch und anhänglich zugleich
In manchen Internetquellen werden Siebenschläfer als Einzelgänger beschrieben. Tatsächlich sind sie aber teilsoziale Tiere, die in ihrer Geselligkeit sehr variabel sind. Zur Jungenaufzucht verhalten sich manche Mütter territorial – so sind adulte Weibchen weniger dazu bereit, sich einen Nistkasten zu teilen als erwachsene Männchen. In anderen Populationen wiederum teilen sich miteinander verwandte Mütter einen gemeinsamen Nistkasten. Kommuniziert wird u.a. durch ein großes Repertoire an unterschiedlichen Lauten.
Meister der Familienplanung – verschieben wir die Kinder auf’s nächste Jahr…
Wie viele andere Nagetiere haben auch männliche Siebenschläfer nur zur Fortpflanzungszeit funktionstüchtige Hoden. Während des Winterschlafs sind diese auf Stecknadelkopfgröße geschrumpft in die Bauchhöhle zurückgezogen. Bekannt ist die Vorausahnung des Siebenschläfers von ertragreichen Jahren. So kommen in Mastjahren, in denen es also viele Bucheckern und Eicheln gibt, besonders viele Siebenschläfer zur Welt. Die sexuelle Aktivität in mageren Jahren hingegen beläuft sich auf fast Null – es werden kaum Junge geboren. Dadurch wird gewährleistet, dass die Jungen, die erst im Juli/August zur Welt kommen und noch bis Anfang Herbst gesäugt werden, in der kurzen, bis zum Winter verbleibenden Zeit noch genügend Futter finden um sich fett zu fressen. Wodurch dieses Verhalten gesteuert wird, ist noch nicht gänzlich geklärt. Lange hat man angenommen, die Fortpflanzungsbereitschaft würde mit den Fettreserven der Bilche zusammenhängen. Je dicker der Siebenschläfer, desto mehr Energie kann in Balz und Jungenaufzucht investiert werden. ForscherInnen der Veterinärmedizinischen Universität Wien fanden heraus, dass durch das Fressen kalorienreicher, unreifer Fruchtknospen (beispielsweise unreife Eicheln oder Bucheckern) im Sommer als Signal zur Anpassung der Paarungsbereitschaft beider Geschlechter an gute Umweltbedingungen wirkt, unabhängig vom Ernährungszustand der Tiere. Gibt es keine unreife Nahrung, wir es voraussichtlich im Herbst weniger Futter geben und es wird keine Energie in Balz und Jungenaufzucht investiert – ein sehr praktischer physiologischer Mechanismus.
Winterschlaf und… Sommerschlaf?
Siebenschläfer verbringen die kalte Jahreszeit in Kleingruppen in selbstgegrabenen unterirdischen Höhlen in einer Tiefe von 50 bis 100 cm. Die Länge des Winterschlafs ist recht variabel. Er kann von Ende September bis Mitte Mai andauern. Aufgrund des besonders langen Winterschlafs ist es nicht schwierig zu erahnen, dass eine schnelle Gewichtszunahme und der effiziente Gebrauch von Fettreserven für Siebenschläfer überlebenswichtig sind. Winterschlaf dient in erster Linie nicht dem schonenden Überdauern kalter Temperaturen. Er ist hauptsächlich ein Energiesparmodus zum Durchhalten einer langen Phase der Nahrungsknappheit (etwa durch gefrorene Böden). Allerdings ist Winterschlaf nicht ganz ungefährlich. Während dieser Zeit sind die Tiere nicht nur unbeweglich und daher vor Beutegreifern ungeschützt, sie verbrauchen auch ihre Fettreserven, was ohnehin schon mageren Tieren zum Verhängnis werden kann. Im Rahmen einer Studie der University of New England und der Veterinärmedizinischen Universität Wien stellte man also die Hypothese auf, dass es im Interesse besonders fetter Tiere wäre, den „gefährlichen“ Winterschlaf so kurz wie möglich zu halten und bei milden Temperaturen, früher als andere Artgenossen, aufzuwachen. So könnte bei normaler Stoffwechselrate die restliche Zeit der Nahrungsknappheit verbracht werden. Tatsächlich ist dies nicht der Fall. Dicke Siebenschläfer schlafen ebenso lang wie schlankere Artgenossen. Bei allen Winterschläfern wird der Körper während des Schlafes periodisch auf Betriebstemperatur hochgefahren, um die negativen Effekte der verringerten Stoffwechselrate zu minimieren (mehr dazu im Artikel Winterschlaf). Dabei werden natürlich auch wertvolle Fettreserven verbraucht. Dicke Siebenschläfer wärmen ihren Körper während des Winterschlafs besonders häufig auf, ohne an Länge der Schlafdauer einzubüßen, und machen dadurch besonders effizienten Gebrauch von ihren Fettreserven. Und das ist noch längst nicht alles! Siebenschläfer können bis zu neun Jahre alt werden – ein beachtliches Alter für ein so kleines Tier (wen das jetzt beeindruckt, sollte einmal nachlesen, wie alt heimische Fledermäuse werden können). Manchmal verbringen Siebenschläfer länger als zehn Monate in ihren Höhlen und „verschlafen“ sozusagen schlechte Zeiten. Auch im Sommer kommt es vor, dass jene Tiere, die sich nicht fortpflanzen, schlafen gehen. Dabei ist aber nicht Nahrungsmangel der Auslöser für diesen Energiesparmodus. Es wird vermutet, dass dieser sommerliche Torpor vielmehr eine Überlebensstrategie ist, um Prädatoren zu vermeiden. Vielleicht eine Erklärung für das hohe Alter?
Gefährdung und Schutz
Siebenschläfer sind anpassungsfähige Kulturfolger. Dennoch kommt es durch Lebensraumveränderungen (Altersklassenwälder usw.) vielerorts zu einem Rückgang der Populationsdichten. Obwohl der Siebenschläfer internationalen Schutz über die Berner Konvention (Anhang III) genießt, ist er in vielen Ländern immer noch eine beliebte Delikatesse.
Nur Baumschläfer und die Haselmäuse stehen unter dem Schutz des Anhang IV (streng zu schützende Arten von gemeinschaftlichem Interesse) der FFH-Richtlinie. Im Wiener Jagdgesetz wird nicht zwischen den einzelnen Arten unterschieden, „der Bilch“ ist allgemein ganzjährig geschont.
Pfleglinge mit Sonderwünschen
Aufgrund ihres niedlichen Aussehens ist es für manche FinderInnen sehr verlockend, die Pflege in Eigenregie zu versuchen. Auch wenn wir ein gewisses Verständnis dafür haben, können wir aus unterschiedlichen Gründen nicht dazu raten:
Fehler bei der Versorgung
Junge Siebenschläfer sind ähnlich unangenehm zu füttern wie Mäusekinder. Hat man einen ungeeigneten Spritzenaufsatz oder verwendet man gar eine Pipette, kann es sehr schnell dazu kommen, dass Aufzuchtsmilch in die Lunge gelangt, was in vielen Fällen zum Ersticken oder zumindest zu einer Lungenentzündung führt, die häufig lange unbemerkt bleibt und schließlich tödlich endet. Häufig kommt es auch zu Verdauungsproblemen, da es für Laien manchmal schwierig ist, die richtige Nahrungsmenge abzuschätzen oder sie es nicht schaffen, den Bauch nach der Fütterung so auszumassieren, dass Kot und Harn abgesetzt wird. Erfahrungsgemäß werden auch Verletzungen tendentiell übersehen oder harmloser eingeschätzt, als sie tatsächlich sind. Erst im August 2015 kamen zwei Siebenschläfer zu uns in Pflege, deren Gesundheitszustand völlig falsch eingeschätzt worden war: Einer davon hatte einen prallen Milchbauch, die verfütterte Milchmenge war viel zu groß und es konnte nicht ordentlich verdaut werden, weswegen der Kleine kurz nach der Ankunft verstarb, der andere hatte deutliche Atemgeräusche, da ihm Wasser in die Lunge gekommen war, und verstarb ebenfalls kurz darauf.
Mangelnde Sozialisierung
Siebenschläfer sind sehr quirlige Tiere, welche die Gesellschaft von Artgenossen sehr genießen. Ein einzeln gehaltener Siebenschläfer ist einsam, der Mensch ist, auch in Aussicht einer Auswilderung, kein Ersatz für einen Artgenossen. Einzeln gehaltene Siebenschläfer entwickeln schnell Stereotypien und es kann zur Automutilation (etwa durch Wundlecken, Fell ausreißen) kommen. Außerdem sind Siebenschläfer bereits im Alter weniger Wochen sehr aktiv und müssen ihrem Bewegungsdrang nachkommen.Für diese Knirpse ist eine Wohnung ungefähr so wie für uns Menschen der Wiener Prater. Sie sind Kletterkünster, extrem flink und ausgezeichnete Ausbrecher, die auch vor Möbel oder Wänden nicht Halt machen. Aus den meisten Behausungen finden sie mühelos einen Ausweg – dabei können die Rabauken durchaus erfinderisch werden. Siebenschläfer kommen sehr spät im Jahr zur Welt und es bleibt nur wenig Zeit bis zum Winterschlaf. Die Auswilderung gemeinsam mit Artgenossen in einer geschützten Außenvoliere muss also früh genug geplant werden, ansonsten ist es notwendig, die Tiere mehrere Monate lang künstlich einzuwintern. Siebenschläfer nicht in den Winterschlaf zu schicken kann durch die Haltung in Gefangenschaft über mehrere Monate zur Folge haben, dass diesen selbst große Volieren (trotz Beschäftigungsmöglichkeiten) binnen kürzester Zeit zu eng werden.
Siebenschläfer am Dach?
Grundsätzlich wünschen wir uns natürlich, dass ein friedliches Nebeneinander zwischen Mensch und Siebenschläfer möglich ist. Nicht jeder kann von seinem Heim behaupten, dass Wildtiere wie diese scheuen Gnome sich dort zu Hause fühlen. Nichtsdestotrotz können Siebenschläfer auch zu lästigen Mitbewohnern werden. So lieb Siebenschläfer auch sind, sie können auch ganz schön laut kebbeln. So manch eine Siebenschläferfamilie wird somit zum unliebsamen Gast auf dem Dachboden. Der Dachraum wird verschmutzt, ab und zu werden auch Wärmedämmungen beschädigt. Fühlt sich eine Siebenschläferfamilie erst einmal zu Hause, bleibt sie meist auch im nächsten Jahr. Wie wird man also Siebenschläfer auf schonende Art und Weise los? Zuerst einmal sollte sichergestellt werden, dass die Bilche weder in ihrem Winterschlaf noch während der Aufzucht der Jungen im Spätsommer gestört werden. Nistet sich also eine Siebenschläferbande an einer unliebsamen Stelle ein, und es lässt sich keine andere Lösung finden, empfehlen wir, die Bilche im Frühjahr mittels eines starken Duftstoffes zu vergrämen. Es eignet sich ein handelsüblicher WC-Stein (etwa mit Zitrusduft, funktioniert auch bei Mardern), welcher unmittelbar am Schlafplatz (Kotspuren sind ein guter Hinweis) angebracht wird. Die Siebenschläfer mögen diesen Duft nicht und werden das Weite suchen. Wir hoffen aber, dass die menschlichen Gastgeber Freude an den Tieren finden und es gar nicht erst dazu kommen muss.
Quellen:
- BIEBER C, LEBL K, STADLER G, GEISER F, RUF T (2013). Body mass dependent use of hibernation: why not prolong the active season, if they can? Functional Ecology 28 (1): pp 167 – 177
- BIEBER C, RUF T (2009): Habitat differences affect life history tactics of a pulsed resource consumer, the edible dormouse (Glis glis). Population Ecology 51 (4): pp 481 – 492
- BIEBER C, RUF T (2009): Summer dormancy in edible dormice (Glis glis) without energetic constraints. Naturwissenschaften 96 (1): pp 165 – 167
- LEBL K, KÜRBISCH K, BIEBER C, RUF T (2010): Energy or information? The role of seed availability for reproductive decisions in edible dormice. Journal of Comparative Zoology 180. pp 447 – 456
- WEISSENSTEINER K (2012): Populationsökologie und Sozialverhalten bei freilebenden Siebenschläfern (Glis glis). Diplomarbeit, Universität Wien. Fakultät für Lebenswissenschaften.
- Marcus Terentius Varro: De re rustica III, 15.