Winterschlaf und Winterruhe

Winterschlaf und Winterruhe: Siebenschläfer - Wildtierhilfe Wien

Siebenschläfer

Wer von uns möchte nicht zu dieser Jahreszeit, wenn es draußen frostig ist und die Tage kurz sind, einfach nur noch essen und schlafen.

Für viele Tiere ist dieser winterliche Schlaf allerdings keine so leicht zunehmende Angelegenheit, sondern eine notwendige Anpassung an kalte Temperaturen und ein geringes Nahrungsangebot.

Wer schläft?

Lange Zeit hat man strikt zwischen Winterschlaf und Winterruhe unterschieden.

Schlafen gehen Murmeltiere und Hamster, aber auch Siebenschläfer und Fledermäuse. Dabei wird die Körpertemperatur auf ein Minimum abgesenkt – von fast 40 °C auf bis zu 2,6 °C beim Murmeltier – und alle lebensnotwendigen Körperfunktionen auf Sparflamme gehalten. Andere Tiere, wie etwa Eichhörnchen oder Ziesel, verfallen in sogenannte Winterrruhe, bei welcher der Stoffwechsel zwar reduziert, die Körpertemperatur jedoch nur wenig abgesenkt wird. Diese Tiere gehen zwar schlafen, wachen aber immer wieder auf um Kot und Urin abzusetzen, und um von den angelegten Nahrungsdepots zu fressen.

Trotz dieser strikten Trennung scheint das Thema Winterschlaf viel komplexer zu sein, als ursprünglich angenommen wurde. So senken auch Rothirsche im Winter nachts ihre Unterhauttemperatur auf bis zu 15 °C ab, und Braunbären scheinen weder echte Winterschläfer noch Winterruher zu sein: Sie fallen zwar nur in einen Dämmerschlaf ohne die Körpertemperatur so drastisch abzusenken, wie echte Winterschläfer, verbringen allerdings bis zu sieben Monate in ihrer Höhle in diesem Zustand, ohne sich dazwischen zu erleichtern oder zu fressen.

Mehr tot als lebendig

Neben der Körpertemperatur, die sich an die kalten Umgebungstemperaturen anpasst, verlangsamen sich auch Atem- und Herzschlagfrequenz enorm. So können Atempausen bis zu einer Stunde andauern. Sogar die inneren Organe bilden sich zurück. Nieren, Leber, Magen und Darm werden verkleinert, bei Murmeltieren zum Teil auf die Hälfte der ursprünglichen Größe. Auch neuronale Verbindungen im Gehirn werden abgebaut, wie Experimente zur Gedächtnisleistung von Zieseln nach dem Winterschlaf zeigen konnten.

Würde ein Mensch in eine derart drastische Ruhephase verfallen, würde er innerhalb kürzester Zeit neben seinen Fettreserven wesentliche Teile seiner Muskelmasse abbauen. Um dies zu verhindern, wirkt bei Winterschläfern das Hormon Hibernation Inducting Trigger (HIT).

Des Weiteren besitzen Winterschläfer nicht nur große Mengen an weißem Fettgewebe, um monatelang ohne zu Fressen auszukommen. Sie verfügen auch über braunes Fettgewebe, das beim Menschen nur im Säuglingsalter im Nacken- und Brustbereich vorhanden ist. Diese Energiefabrik sorgt dafür, dass beim Absinken der Außentemperaturen unter die Schlaftemperatur der Körper wie bei einem Thermostat kurzfristig wieder aufgeheizt wird – ein enormer Energieaufwand, der nur mit Hilfe des braunen Fettgewebes möglich ist.

Schläfrigmacher

Welche Faktoren für die Tiere nun ausschlaggebend sind, in den Winterschlaf zu fallen, wird noch immer heiß diskutiert. Lange wurde die Meinung vertreten, das Schlafengehen werde von absinkenden Außentemperaturen und dem geringeren Nahrungsangebot ausgelöst, was bisher nicht widerlegt werden konnte. So gehen Hamster und Fledermäuse bei Zimmertemperatur nicht schlafen, und auch Igel wuseln bei diesen Temperaturen noch herum. Mittlerweile werden aber noch viel mehr Faktoren als Auslöser des Winterschlafs diskutiert, wie etwa die abnehmende Tageslänge, geringere UV-Strahlung, der Zustand des Fettdepots, und sogar die erhöhte CO2-Konzentration in den Schlafhöhlen.

Gefährliches Aufwachen

Der Energiesparmodus „Winterschlaf“ sorgt sozusagen dafür, dass der „lebensfeindliche“ kalte Winter problemlos überstanden werden kann. Viel kräftezehrender als das eigentliche Schlafen ist jedoch der Aufwachprozess, der binnen weniger Stunden  vollkommen abgeschlossen werden kann. Während sich der Körper eher langsam auf den Winterschlaf einstellt, kann die Körpertemperatur innerhalb kürzester Zeit um 30°C erhöht werden – eine Leistung, die ebenfalls dem braunen Fettgewebe zu verdanken ist. Diese Stunden sind jedoch die eigentlich kritischen für die Tiere: Sind ihre Fettreserven zu gering, ist dieser energieraubende Prozess ein Todesurteil. Problematisch sind daher nicht nur späte Kälteeinbrüche, die den mageren und entkräfteten Tieren im Frühjahr das Leben schwer machen, sondern auch zu  kalte bzw. zu warme Winter, welche die kräftezehrende Wärmeproduktion verursachen.

Für uns Menschen bedeutet das, dass wir im Winter möglichst achtsam sein sollten, um schlafende Tiere keinesfalls zu stören. Tendenziell wird unterschätzt, was für die Schlafmützen bereits als Störung empfunden wird. Das ist nicht nur Anfassen oder ein lautes Geräusch. Für Fledermäuse reicht meist schon ein bloßes Betreten ihres Winterquartiers aus, um sie zu wecken.

Sollten Sie jetzt im Winter ein Tier finden, das offensichtlich schon in den Winterschlaf gefallen ist, sich aber weder ein isolierendes Nest gebaut hat (etwa nicht zugedeckte, frei liegende Igel) oder sich an einem sehr störungsanfälligem Ort befindet (alleine hängende Fledermäuse in einem Gebäude oder neben der Straße), kontaktieren Sie uns bitte umgehend.

Quellen:

  • ARNOLD W, RUF T, REIMOSER S, TATARUCH F, ONDERSCHEKA K, SCHOBER F (2004): Nocturnal hypometabolism as an overwintering strategy of red deer (Cervus elaphus). American Journal of Physiology-Regulatory, Integrative and Comparative Physiology 286: 174–181.
  • ARNOLD W (1999): Winterschlaf des Alpenmurmeltieres (Marmota marmota). Stapfia 0063: 43 – 56.
  • HISSA R, PUKKA M, HOHTOLA E, SASSI M, RISTELI J (1998): Seasonal changes in nitrogenous compounds of the European brown bear (Ursus arctos arctos). Helsinki: Finnish Zoological and Botanical Publishing Board.
  • MILLESI E, PROSSINGER H, DITTAMI J P,  FIEDER M. (2001): Hibernation Effects on
  • Memory in European Ground Squirrels (Spermophilus citellus). Journal of Biological Rhythms 16: 264.
  • TURBILL C, RUF T, MANG T, ARNOLD W (2011): Regulation of heart rate and rumen temperature in red deer: effects of season and food intake. The Journal of Experimental Biology 214: 963 – 970.
  • WEHNER R, GEHRING W (2013): Zoologie (25. Auflage). Stuttgart: Georg Thieme Verlag.